Tag 2 - Höher, Schneller, Weiter, Größer

Bei dem heutigen Diary fangen wir damit an, dass wir weit zurückgehen zu den Anfängen des Hip-Hop in die frühen Achtziger. Der Rap war offiziell erfunden, die Graffiti-Sprayer und Breakdancer sind dabei die Erdkugel zu revolutionieren und eine Bewegung zu schaffen die sich bis weit ins neue Millennium halten wird. Die berühmten Block-Parties wurden anfangs in den rausten Bezirken New Yorks gefeiert und jeder der sich irgendwann mal damit beschäftigt hat, kennt die Bilder der spielenden Kinder unter den aufgedrehten Wasser-Hydranten und die tanzenden und feiernden Leute auf den Strassen und an den Fenstern Brooklyns – selbst wenn man es noch nie selbst erlebt hat.
Gleichzeitig war das die Geburtsstunde einer weiteren „Berufsgruppe“ die heute viele Webseiten füllt ;-) und ohne die fast alle Clubs und Bars undenkbar wären: der DJ!
Man fing an mit zwei Platten herumzumixen und dafür zu sorgen, dass die störenden Pausen wenn man eine LP oder Kassette laufen lässt verschwinden in dem man einfach mit zwei Plattenspielern arbeitet. Schnell fanden die Jungs heraus das in dieser Beschäftigung vielmehr Potenzial drin war und man durch vor- und zurückdrehen und reinmixen der anderen Platte noch ganz andere Dinge tun kann.
Man muss großen Respekt haben vor der Entwicklung des ganzen und der Arbeit eines DJ´s die heute genauso wichtig ist wie damals, aber das hier wäre nicht mein Diary wenn es nicht ein „aber“ gäbe…
In der damaligen Kultur und in der Hip-Hop-Bewegung des Breakdance, Rap, Graffiti & DJing war es normal sich selbst zu repräsentieren, in dem man stolz seinen Künstlernamen auf Wände gesprüht hat oder auf T-Shirts gedruckt, damit die Leute wussten wer dieses „Werk“ vollbracht hat oder wer die Party gerockt hat wie kein anderer.
Ein Brauch der auch heute noch üblich ist – die Eigendarstellung des Disc-Jockey nach außen!
Und schon sind wir beim Thema: wie weit sollte das ganze gehen?
Es gibt heute noch besagte T-Shirts auch mit den jeweiligen Party-Reihen, Clubs, Webseiten und Team-Shirts bei DJ-Gruppen um Werbung zu machen und/oder auszudrücken wer hier zu wem gehört – und das finde ich absolut legitim und eine hilfreiche Idee.
Doch ich beobachte eine Entwicklung bei der ich nicht so recht weiß was ich davon halten soll…riesige Werbebanner werden über den Eingang des Clubs gehoben mit dem jeweiligen DJ in riesigen Druckbuchstaben, irgendwelche aufgeschnappten Shoutouts werden dazu verwendet sich die Übergänge zu sparen und das Radio-Feeling auf die Tanzfläche zu bringen(?) und DJ´s werden in ihren eigenen Interpretationen zu Superstars hochgepusht. Wenn das die Entwicklung ist, dann betrachten wir uns doch mal wie weit das gehen könnte… Stellt euch vor ihr kommt auf eine Party und über dem Himmel kreist ein Flugzeug mit dem jeweiligen DJ-Namen und fliegt über der ganzen Stadt. Oder die DJ´s werden in Werbeclips geschaltet, der Name desjenigen wird euch genauso häufig wie die Klingelton-Werbungen um die Ohren gehauen – die DJ´s lösen in ihrer Häufigkeit in Zukunft den Crazy Frog und den besoffenen Elch locker ab. Und riesige Werbeplakate mit dem Portrait und dem Namen des DJ´s werden vom Dach der Gedächtniskirche und des Fernsehturms gespannt.
Ich finde natürlich das wir DJ´s wichtig sind für das Party-Volk da draußen und ohne einen guten unseres Stammes kann eine Party oder ein Club durchaus dem Absturz geweiht sein. Aber wie schwer haben wir wirklich zu ackern? Wir zementieren nicht die Strassen bei 35 Grad im Sommer und wir schleppen keine Stahlträger oder hangeln an Hauswänden lang. Nein, wir kommen mit unseren Platten rein, können unsere Frauen und Freunde bei der Arbeit sehen, trinken umsonst, machen ein wenig Musik für die Leute, feiern, haben unseren Spaß, kriegen natürlich als DJ 500 Telefonnummern am Abend zugesteckt und fahren irgendwann nach hause ohne uns wirklich körperlich bis zum erbrechen kaputt gemacht zu haben. Dazu verdienen wir mehr als manch einer in einer 40 – 50-Stunden-Woche, wir können Urlaub nehmen wann wir wollen ohne es beantragen zu müssen, stehen nie im Stau und können einkaufen und zum Arzt gehen wann immer wir möchten. Niemand hat mehr vom Tag und vom Wetter als ein DJ, davon bin ich bis heute überzeugt. Gehen wir mal privat aus, kommen wir in alle Clubs umsonst rein und kriegen Getränke ausgegeben - obwohl wir sehr gut verdienen geben wir an solchen Abenden weniger aus als KfZ-Azubi Peter der mit den letzten Kröten seine Freundin Mandy ausführen will.
Plus können wir jeden Mist von der Steuer absetzen und sind unserer eigener Chef und wenn wir auf irgendeinen Auftrag keinen Bock haben, sagen wir: Kein Bock!
Ein absoluter Traumjob dessen einzige Vorraussetzung neben dem beherrschen seines Tuns (was übrigens auf jede Arbeit zutrifft) ist es sich musikalisch auf dem laufenden zu halten und immer wieder neue Musik zuzulegen – jedoch wenn die Musik auch unser Hobby ist, dann hätten wir das wahrscheinlich auch getan wenn wir nicht DJ geworden wären.
Also, verehrte Kollegen dort draußen – bevor ihr noch Autogrammkarten druckt und eine Unterwäsche-Kollektion mit euerm Namen auf den Markt bringt: immer schön mit beiden Füssen auf dem Boden bleiben und seinen Job so gut wie möglich machen, denn dafür sind wir schließlich Dienstleister!
P.S. : Je höher man fliegt, umso tiefer kann man fallen…

Bis zum nächsten mal…euer DJ Guess

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